aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Vom Zustande des Schulwesens 1817

Christel Gewitzsch

Im April 1817 erreichte den Landrat Schlebrügge in Lüdinghausen die Verfügung des Königlichen hochlöblichen Konsistoriums zu Münster, eine Uebersicht von dem Zustande des Schulwesens im hiesigen Kreise nach dem [...] vorgeschriebenen Schema gehorsamst vorzulegen[1]. Neben der schematischen Auskunft stellte Schlebrügge eine Liste mit den für ihn schwerwiegendsten fünf Mängeln des Schulwesens im Kreis Lüdinghausen zusammen.

Mängelliste

Der Landrat beklagte, dass die wieder in Kraft getretene Münstersche Schulordnung noch nicht in allen Gemeinden zur vollen Anwendung gekommen sei. So waren vielfach die Schulbezirke noch nicht eingeteilt worden und in manchen Gemeinden forderte man das Schulgeld nur von den wirklich zur Schule kommenden Kindern. Zu viele Lehrerstellen seien mit Subjecten ohne Bildung und Qualification besetzt und die ernannten Schulinspektoren ließen sich zu selten in den Schulbezirken sehen. Damit hinge die Entwicklung der Schulen in großem Maße von den persönlichen Eigenschaften und vom Eifer des jeweiligen Ortspfarrers ab.

Auf die schlechte Bezahlung der Lehrer richtete Schlebrügge sein Hauptaugenmerk. Da die meisten nur über das Schulgeld bezahlt würden, viele Familien aber nicht zahlen wollten oder konnten, so kämen nur die wenigsten auf den ihnen zustehenden Betrag. Um den in Frieden genießen zu könne, verzichteten die Lehrer auf Zwangsmaßnahmen, denn wird hierin mit Strenge verfahren, so wird der Lehrer oft befeindet; ja es gibt Beyspiele, wo man sich des Nachts an seinen gepflanzten Bäumen, an seinem Eigenthum vergreift. Aber auch wenn von allen das Schulgeld bezahlt wird, hat der Lehrer, falls er keine anderen Einkünfte bezieht, mit Nahrungs-Sorgen und dem Haße der Schulgenoßen zu kämpfen. Nichts sei deshalb notwendiger, als die Bezahlung der Lehrer zu verbessern, nur so könne man auch hoffen, qualifizierteres Personal zu bekommen. Schlebrügge schlug vor, das Schulgeld abzuschaffen und durch eine von allen Eingesessenen zu zahlende Schulsteuer abzulösen, denn jedem in der Gemeinde würde die Bildung der Jugend zum größten Nutzen gereich[en].

Zum Schluss kam Schlebrügge auf die Beschaffenheit der Schulhäuser zu sprechen. Gewöhnlich ist das Schulzimmer so klein und niedrig, daß es nicht einmal alle Schulfähigen Kinder, die zum Schulbezirke gehören, fassen kann. Ansteckungen und Krankheiten sind die Folgen, wenn die Kinder in solche enge Räume zusammen gepreßt werden; bey einigen Schulstellen fehlt es sogar an einem Schulzimmer noch gänzlich.

Volksschulen im Amt Bork

Nach dem vorgeschrieben Schema mussten die Landräte zuerst die Kirchspiele vorstellen, die Schulbezirke benennen und die Zahl der schulpflichtigen Kinder angeben. Einer kurzen Bewertung der Schulgebäude folgten Informationen zu den Lehrern.

Bork

Laut Tabelle besaß das Kirchspiel Bork 1541 Einwohner, zahlte an direkten Steuern 3051 Taler und hatte zwei Schulen. Die zweite Schule war die in Cappenberg, zu deren Unterhalt sich der preußische Staat bei der Übergabe der Domäne an den Freiherrn vom Stein verpflichtet hatte. Zum Schulbezirk Bork gehörten die Dorfbauerschaft, Altenbork, Hassel, Netteberge und die Bauerschaft Übbenhagen. 185 Familien zählte man in Bork zu den Schulgenossen, 38 in Übbenhagen. In Bork gab es zu der Zeit 130 schulpflichtige Kinder, siebzig Jungen und sechzig Mädchen; in Übbenhagen mussten 44 Jungen und 36 Mädchen die Schule besuchen. Das Schulgeld betrug 22 Groschen und die Schulgebäude wurden beide mit gut bewertet. Adolph Alstedde aus Altlünen, katholisch, 51 Jahre alt und seit 35 im Dienst unterrichtete in der Borker Schule. Seine Ausbildung hatte er in der Normalschule zu Münster erhalten. Für seine Lehrertätigkeit bekam er rund 110 Taler, die durch 42 Taler für seine Arbeit als Küster aufgestockt wurden. Zusätzlich war ihm eine Zulage von zwanzig Talern gewährt worden. Eine andere Akte nennt dreißig Taler.

In Cappenberg lehrte seit elf Jahren Alexander Hochgesang, der für sein Gehalt von 200 Talern als zweiter Geistlicher auch Kirchendienste übernehmen musste. Rund 73 Taler bekam er als Schulgeld, zehn Taler als Zulage, Wohnung und Garten standen ihm zur Verfügung und die drei Klafter Holz für die Feuerung wurden mit zwölf Taler berechnet, so dass er insgesamt über Einkünfte von  295 Talern (in der Akte steht 285) verfügen konnte. Laut Tabelle war er fünfzig Jahre alt und als seine Vorbildung wurden der Besuch eines Gymnasiums und der Aufenthalt in einem Kloster angegeben.

Selm

Die Einwohnerzahl von Selm betrug 1166 Seelen und der Steuerbetrag 2278 Taler. In Selm gab es für das Dorf und die Gemeinde nur eine Schule, die die Kinder von 231 Schulgenossen aufnehmen musste; im Jahr 1817 waren das 114 Knaben und 107 Mädchen. Als jährliches Schulgeld war ein Taler zu zahlen. Für diese Menge an Schulkindern war das Gebäude der Schule, das als gut gebaut beschrieben wird, viel zu klein. Der seit fünf Jahren als Lehrer tätige 31 Jahre alte Hermann Hölling war gleichzeitig Kaplan in der Kirchengemeinde. Studiert hatte er in Münster und dort auch die Normalschule besucht. Seine Einkünfte setzten sich aus dem Schulgeld, dem Küster- einschließlich Organistenlohn und einer Zulage zusammen. Insgesamt kam er so auf zirka 223 Taler. Das Schulgeld alleine belief sich, nach Abzug des Schulgeldes für die armen und die Schule nicht besuchenden schulpflichtigen Kinder, auf rund 170 Taler.

Altlünen

Die dritte Gemeinde im Amte Bork war Altünen mit nur 527 Einwohnern, einem Steueranteil von 1131 Talern und einer Schule. Diese Schule besuchten nicht nur Kinder aus dem Dorf und der Gemeinde, sondern auch aus den angrenzenden Dörfern und der Stadt Lünen. Aus 84 Familien Altlünens kamen vierzig Knaben und 36 Mädchen in die Schule, aus der Nachbarschaft aus 85 Familien ebenfalls vierzig Jungen und 47 Mädchen. Die Altlüner mussten 21 Groschen Schulgeld zahlen, die Auswärtigen nur zwanzig. Der Lehrer Gerhard Henrich Schlüter aus Walstedde war 31 Jahr alt, seit 10 Jahren im Schuldienst und in der Normalschule in Münster auf diese Aufgabe vorbereitet worden. Er konnte insgesamt über 253 Taler (Schulgeld, Zulage, Kirchendienste, Feuerung), eine Wohnung mit Garten und etwas Ackerland verfügen.

Bürgerschulen im Kreis

Schlebrügge schließt seine Übersicht mit Informationen über die im Kreis Lüdinghausen befindliche Bürger- und Gelehrten Schule in Werne. Diese Schule nannte sich Rector- oder lateinische Schule, bestand zu der Zeit aus drei Klassen mit insgesamt 42 Schülern und berechnete an jährlichem Schulgeld zwei Taler. Unterrichtet wurden die Schüler in Religion, Latein und Arithmetik, von morgens sieben Uhr bis elf Uhr und nachmittags von 13 bis 15 Uhr. Die Ausbildung des Lehrers Anton Niewind aus Haltern, vierzig Jahre alt und seit 17 Jahren im Dienst, bestand in dem sechsjährigen Besuch eines Gymnasiums; vier Jahre in Recklinghausen und zwei Jahre in Münster. Sein Einkommen von 110 Talern setzte sich aus dem Schulgeld von 84 Talern, zwölf Talern Gehalt, acht Talern an Zinsen und sechs Talern Miete aus einem zum Schulfond gehörigen Hause zusammen.

März 2016
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[1] und alle folgenden Zitate: LAV NRW W, Prov. Schulkollegium, Nr. 1696, Übersicht über die Volksschulen in den Kreisen Recklinghausen, LH, Beckum und Münster, 1817-18.

 
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