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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

So bleibt man gesund

Christel Gewitzsch

Als wären nicht schon genügend Tipps für ein gesundes Leben im Umlauf, füge ich der Liste noch Ratschläge aus dem 19. Jahrhundert hinzu. Wie sinnvoll sie sind, muss – wie immer – gut bedacht sein.

Für die nachfolgenden acht Themenblöcke ist der „Verein für naturgemäße Gesundheitspflege und arzneilose Heilkunde“ verantwortlich. Der königlich preußische Stabsarzt d. L. Dr. med. Disqué, der auch Kreisarzt a.D. und Chefarzt der „Stiftung von Zimmermann’sche Naturheilanstalt“ war, hängte die Empfehlungen seinem Buch „Naturgemäße Behandlung der Krankheiten“[1] an.

Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Gesundheitswesen, wollte er mit dem Buch zur Belehrung und Aufklärung des Volkes beitragen. Den Arzt möchte er damit nicht überflüssig machen, sondern im Gegenteil in Stunden der Gefahr bis zur Ankunft des Arztes die nötigen Winke geben, damit nichts versäumt, damit das Eingreifen des Arztes noch von Erfolg begleitet werde, und dieses nicht, wie so häufig, schon zu spät sei. Im Buch geht es weniger um Erste-Hilfe Maßnahmen, sondern um Anleitungen für ein gesundheitsförderndes Leben.

Die Empfehlungen[2]

„1.
Man esse nie ohne Hunger und lasse zwischen den einzelnen Mahlzeiten eine Pause von mindestens 3 Stunden. Leute, die nicht anstrengende körperliche Ausübung haben, mögen sich mit drei Mahlzeiten täglich begnügen. Kindern und im Wachstum befindlichen Personen, bei denen der Stoffwechsel lebhafter vor sich geht, müssen 4-5 Mahlzeiten täglich verabreicht werden. Speisen und Getränke, von denen man aus Erfahrung weiß, daß sie einem nicht bekommen, meide man.
Gut gekaut ist halb verdaut. Durch langsames, gutes Kauen wird der zur Verdauung so notwendige Speichel des Mundes reichlicher abgesondert und den Speisen beigemischt.
Man esse und trinke weder zu heiß, noch zu kalt und gewöhne sich an einfache Kost.
Ferner genieße man nicht immer einerlei, sondern beobachte Abwechslung in der Art der Speisen und wähle mehr fest, als dünnflüssige (suppenartige) Nahrung. Zu vermeiden sind Leckereien, sowie schwer verdauliche Speisen, wie frischgebackenes Brot, warmer Kuchen, altes Pökelfleisch u. a. m. Weizenschrotbrot (Grahambrot) ist gesünder als Weißbrot oder gesäuertes Schwarzbrot.
Man meide starke Gewürze (Pfeffer, Paprika, Senf etc.), allzu scharf gesalzene Sachen und erhitzende Getränke, weil diese die normale Verdauung stören.
Kurz nach Tische, also während der Verdauung, unterlasse man starke Bewegung. Auch Gemütsaufregungen (Ärger, Gram etc.) wirken nachteilig auf die Verdauung.
Man trinke nicht kurz vor oder kurz nach dem Essen; bei vorhandenem Durste während des Essens genieße man gekochtes oder frisches Obst.
Wir Menschen leben nicht, um zu essen, sondern essen, um zu leben; deshalb esse man nie mehr, als nötig ist, um den Hunger zu stillen.

2.
Man trinke nie ohne Durst. Wer die oben angegebenen Vorschriften betreffs des Essens genau befolgt, wird übermäßiges Durstgefühl nicht empfinden.
Das gesündeste Getränk bleibt stets reines, frisches, gutes Quellwasser. Außer Wasser können als Getränke noch in erster Linie empfohlen werden Milch, Kefyr, Citronenlimonade, Himbeerlimonade, Fruchtsäfte, Most, Äpfelwein, Heidelbeerwein, leichte und reine Weiß- und Rotweine (mäßig genossen) etc. Beim Genuß von Wasser werden unsere Ausscheidungsorgane, vor allem die Nieren, nicht überreizt, wie dies durch alkoholische und andere aufregende Getränke meist geschieht.

3.
Man sorge für tägliche Entleerung des Darmes. Wenn Nachhilfe nötig, nehme man ein laues (22-24° R.) Klystier, nie aber greife man zu sogenannten Abführmitteln, weil diese sämtlich schädlich wirken.
Als die Darmthätigkeit anregendes und die Entleerung beförderndes Mittel ist das Essen von Schrotbrot zu empfehlen.

4.
Bewegung ist Leben. Dieselbe befördert die Verdauung, führt gute Blutzirkulation herbei, vermehrt den Stoffwechsel und kräftigt die Muskeln.
Bewegung schafft Wohlbefinden; deshalb lasse jeder seinem Körper das gehörige Maß von Ausarbeitung (möglichst in reiner Luft) zu Teil werden.
Als besonders gesundheitsbefördernde Bewegungen sind zu empfehlen Spazierengehen, Bergsteigen, Turnen, Turn- und Krokettspiele, Gymnastik, Rudern, Schwimmen, Schlittschuhlaufen, Radfahren, Gartenarbeiten etc.
Beim Gehen schreite man lustig aus, halte den Körper aufrecht, den Kopf hoch, die Schultern zurück und atme tief (und zwar durch die Nase); öfters ist ein kurzer Laufschritt zu empfehlen.
Man setze sich nicht der Zugluft aus, zumal wenn man erhitzt ist.

5.
Die Haut bedarf der sorgfältigsten Pflege; sie ist durch ihre Millionen Poren eines unserer wichtigsten Ausscheidungsorgane.
Man wasche deshalb täglich einmal (früh oder abends) den ganzen Körper mit 18-22gradigem Wasser, trockne die Haut nur leicht ab, oder nur die behaarten Stellen des Körpers, während man an den nicht abgetrockneten Stellen das Wasser verdunsten läßt. Nach jeder solchen Waschung muß eine vollständige Wiedererwärmung des Körpers stattfinden. Man laufe sich deshalb sofort warm oder warte im Bett die Wiedererwärmung ab. Außerdem wird die Hautthätigkeit gehoben durch Bäder, reine Wäsche etc. Wannenbäder nehme man 20-24° R. warm, 10-15 Minuten lang, mit nachfolgender kühler Übergießung. Flußbäder nehme man ca. 15 Minuten lang und setze dabei an windstillen, sonnigen Tagen den unbekleideten, vorher aber gut abgetrockneten Körper der Luft und den Sonnenstrahlen aus.
Ein ab und zu genommenes leichtes Dampfbad (Kastendampfbad) mit nachfolgender Übergießung und Massage ist ein vorzügliches Mittel zur Stoffwechselsteigerung und Säftereinigung. Die Schleimhäute des Mundes reinige man durch Gurgelungen (morgens, vor und nach dem Tische und vor dem Schlafengehen), die der Nase durch Aufziehen warmen Wassers (früh und abends).

6.
Man gönne seinem Körper auch die nötige Ruhe, wenn derselbe ermüdet, damit er die verbrauchten Stoffe wieder ersetzen kann.
Die vollständige Ruhe ist der Schlaf. Nur ein ruhiger und fester Schlaf ist stärkend, deshalb wähle man zum Schlafgemach ein ruhig gelegenes, großes, hohes, luftiges Zimmer.
Man schlafe jederzeit bei offenem Fenster; wenigstens halte man während der Nachtzeit im Nebenzimmer stets ein Fenster offen. Zugluft ist hierbei zu vermeiden. Im Winter, bei großer Kälte, empfiehlt es sich, das Schlafzimmer mäßig zu erwärmen und erst vor dem Schlafengehen mindestens ein Fenster zu öffnen. Licht während des Schlafes gestattet wegen seiner nervenbelebenden Wirkung keinen ruhigen, stärkenden Schlaf.
Die beste Schlafzeit ist die Nacht; man gehe um 10-11 Uhr zu Bett und stehe früh um 5-6 Uhr wieder auf.
Aus dem Schlafzimmer entferne man möglichst alle überflüssigen Gegenstände, z.B. Schränke, Kleider, schmutzige Wäsche, Schuhwerk etc.
Vor dem Schlafengehen vermeide man aufregende Getränke, geistige Anstrengungen, Lektüre etc.
Man lege sich nie mit kalten Füßen ins Bett; die Erwärmung derselben wird am besten durch tüchtiges Reiben oder ein 30° R. warmes Fußbad (mit nachfolgender Übergießung mit Wasser von 18-20° R.) erreicht.
Das Bett sei groß und bequem; die Bedeckung sei nicht allzu warm.

7.
Man atme ruhig und tief. Ein gesundes Atmen soll durch die Nase, nicht durch den Mund geschehen. Sehr zu empfehlen, besonders Stubenhockern, sind Atembewegungen in frischer Luft (am besten morgens, vor Tisch und abends) und besser noch unter Zuhilfenahme eines „Largiadèr“ (Arm- und Bruststärker). Bei dieser Atemgymnastik empfiehlt es sich, daß man durch die Nase ein- und durch den Mund ausatme.
Eine wirklich gesunde Luft soll sauerstoffreich und staubfrei sein.
Überhitzte, rauchige, übelriechende und dumpfe Räume sind zu meiden.
Hoch und sonnig gelegene Wohnräume sind gesünder, als dumpfe Parterre- und Kellerwohnungen.

8.
Die Kleidung sei der Witterung angemessen, warm, doch nie so, daß sie den Körper verweichlicht.
Zur Oberkleidung, wie Leibwäsche sind trikotartige gewebte, die Ausdünstung durchlassende Stoffe zu empfehlen. Man wechsle regelmäßig früh und abends die Leibwäsche.
Gesundheitsschädlich sind festgeschnürte Korsetts, Leibriemen, enge Strumpfgürtel, knappes Schuhwerk.
Die Füße halte man stets trocken und warm, dagegen den Kopf nur leicht und den Hals möglichst unbedeckt.
                                                                   ***
Da es leichter ist, hundert Krankheiten zu verhüten, als eine zu heilen, so mögen diese allgemeinen Gesundheitsregeln allen, denen an der Erhaltung ihrer Gesundheit gelegen ist, bestens empfohlen sein.“

Januar 2024
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1. Und folgende Zitate: Disqué, Naturgemäße Behandlung der Krankheiten, Chemnitz 1892.
2. Disqué, Anhang, S, 216 ff. Fettdruck wie im Original. Seitenhinweise im Text sind ohne Auslassungszeichen weggelassen.

 
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